Textauszug
Die folgenden Dialoge sind Proben aus
dem Buch von Karl Renz: "Das Buch Karl", Kamphausen Verlag,
150 S., 16,50 Euro (hier auch zum Download
als Acrobat-pdf-Datei, 130 kB)
Trau keinem toten Meister
Vorbereitung auf die Erleuchtung
Sehnsucht
Ich möchte erleuchtet werden
Wie stirbt man richtig?
Niemand kann erleuchtet sein
Entwickele ich mich?
Trau keinem toten Meister
Frage: Du hast doch irgendetwas, was wir
nicht haben. So kommt es mir zumindest vor. Und du sitzt ja auch
da vorne, und wir hier. Wie kommt dir das selbst vor? Sind wir die
Dummen?
Karl: Wenn ich mich als weisen Erwachten betrachten
würde, gäbe es vor mir lauter dumme Unerleuchtete. Das
wäre Trennung. Das wäre die alte Illusion: Dass es hier
einen gibt, der etwas weiß, und dass dort einer sitzt, der
es nicht weiß. Aber ich rede von dem Wissen, das absolut ist.
Es ist hier absolut - und es ist da genauso absolut. Es ist nichts
Neues für dich. Deshalb ist es auch nicht etwas, das du erringen
kannst. Nicht etwas, das du entdecken kannst. Es ist nichts, wo
du hinkommen kannst. Es ist schon vollkommen da. Ich rede von dem,
was nie verdeckt war. Was keines Erreichens bedarf. Jedes Bestreben
kann nur zu relativem Wissen führen.
F: Man sagt doch: Jeder Lehrer hat noch etwas
zu lernen.
K: Ja, solange es einen Lehrer gibt, hat er
noch etwas zu lernen.
F: Na, also. Du bist doch ein Lehrer!
K: Das ist unmöglich. Ich kann dich nicht
lehren.
F: Aber deshalb bin ich doch hier.
K: Ich kann dich nicht lehren, was du bist.
Ich kann dir nichts geben
F: Na, wenn das so ist...
K: Ich kann dir allerdings auch nichts nehmen.
Und jeder, der sagt, er kann dir etwas geben oder etwas abnehmen
oder dir eine wichtige Erleuchtungserfahrung verschaffen, der lügt.
F: Dann ist Buddha ein Lügner.
K: Ja, trau keinem toten Meister.
F: Na, so einfach ist das aber nicht. Buddha
hat ohne Zweifel eine Lehre. Die lautet kurz gesagt: Alles Leben
ist Leid. Alles Leid entspringt der Begierde. Es gibt einen Weg,
der Begierde zu entkommen. Und das ist der achtfache Pfad.
K: Im Diamant-Sutra sagt er: Es hat nie einen
Buddha gegeben, der die Welt betreten hat. Und es wird nie einen
geben, der sie betreten wird. Er sagt: Vierzig Jahre habe ich gepredigt
und nie etwas gesagt. Es hat keiner etwas gesagt, keiner hat gesprochen,
und keiner hat gehört.
F: Aber es gibt den achtfachen Pfad. Es gibt
die Lehre. Es gibt den Dharma.
K: Es gibt Leute, die etwas lehren und möglichst
immer dieselben Worte wiederholen. Das sind die Dharma-Keeper. Die
Erhalter der Misere. Alle Lehren, die sagen, es gibt einen Weg aus
der Misere, erhalten die Misere. Die Dharma-Keeper, die Darm-Keeper,
diejenigen, die die Verstopfung aufrecht erhalten.
F: Nehmen wir ein anderes Beispiel: Krishna
lehrt Arjuna. Die ganze Bhagavad Gita besteht nur aus diesem Lehrgespräch.
K: Krishna, Buddha, Jesus oder Sokrates - das
sind alles Erscheinungen. Sie erscheinen dir als Ausweg. Jeder scheint
dir ein Bild mit einem schönen Ziel zu zeigen oder wenigstens
ein Loch in der Wand: Da kommst du durch. Du musst dich nur bemühen,
hoch genug zu springen. Dann kommst du rüber. Du musst dich
zwängen. Dann kommst du durch. Am Ende musst du nur Mut genug
aufbringen, den letzten Schritt in den Abgrund zu treten.
F: Und stimmt das etwa nicht?
K: Nein, so hoch kannst du gar nicht springen.
Und den Schritt kann keiner tun. Diesen Schritt in den Abgrund des
Seins, in dir selbst, kann nur das Selbst tun. Und das Selbst braucht
diesen Schritt nicht zu tun, weil es der Abgrund ist! Das Selbst
ist der absolute Abgrund. Das absolute Nichts.
F: Soll das alles einfach nur heißen,
dass du mir nicht helfen kannst?
K: Genau.
F: Das gibt es doch nicht.
K: Im Relativen gibt es alles. In der Realität
nichts.
F: Na, ist auch egal. Ich sitze ja trotzdem
ganz gern hier.
K: Ich habe gesagt: Hier sitzt keiner, der etwas
sagt, und da sitzt keiner, der etwas hört. Das, was hört,
und das, was spricht, sind Eins. Da gibt es keine Trennung. Ob das
Sprechen aus diesem Körper oder das Hören in jenem Körper
stattfindet, das spielt keine Rolle. Das, was hier spricht und was
da hört, sind Eins.
F: Das merke ich nicht. Aber trotzdem empfinde
ich es hier irgendwie als unterstützend. Es erinnert mich an
irgendwas.
K: Möglicherweise an dich selbst.
F: Ja, darum geht's vielleicht.
K: Du wirst auf dich selbst zurückgeworfen.
Ich gebe dir nichts. Ich werfe dir immer alles wieder zurück.
Gib's mir, gib's dir, gib mich mir.
F: Dich dir?
K: Wir spielen Fangen mit uns selbst.
F: Meine Güte, und dafür habe ich
all die Jahre meditiert.
K: Genau dafür. Alles, was vorher passiert
und nicht passiert ist, hat dich vorbereitet auf dieses. Damit dieses
jetzt so passieren kann. Es gibt nichts Falsches dabei. Es ist immer
richtig. Es passiert immer zum richtigen Moment. Jetzt
F: Deshalb: Trau keinem toten Meister.
K: Trau keinem toten Meister, denn es gibt noch
nicht mal lebendige.
Vorbereitung auf
die Erleuchtung
Frage: Ein Zen-Meister namens Bankei aus
dem 17. Jahrhundert preist den ungeteilten Buddhageist. Der sei
jenseits aller Einheit. Was soll das sein?
Karl: Das, was vor Buddha ist. Para-Buddha.
Das, was vor allem ist. Das keine Zweiheit kennt. Und keine Einheit
kennt. Es ist weder Eins noch Zwei. Es ist weder dies noch das.
Es hat keine Definition. Es hat alle oder keinen Namen. Es kann
sich selbst nie begreifen.
F: Aha. Deshalb sagt Bankei wohl, es habe
keinen Sinn, danach zu streben. So etwas sagt er zu seinen Schülern:
Hört einfach auf!
K: Die absolute Resignation, sich selbst nie
begreifen zu können, sich selbst nie wissen zu können,
nie kennen zu können, das ist die absolute Stille. Wo kein
Wunsch mehr nach Selbsterkenntnis ist: Das ist Selbsterkenntnis.
Dass ich mir selbst nie entkommen kann und mich selbst nie begreifen
kann. Weil ich das bin, was ist, und das ist unendlich. Ungeboren,
unsterblich. Dafür ist in der Zeit nichts notwendig. Um das
zu sein, braucht man kein Bemühen. Jedes Bemühen, das
zu sein, ist scheinbar kontraproduktiv.
F: Bankei sagt: Ein weitaus kürzerer
Weg als das Bemühen, ein Buddha zu werden, besteht darin, einfach
ein Buddha zu sein.
K: Ja, dann hör auf mit Bankei.
F: Aber der Buddha hat sich jahrelang bemüht.
Dann erst ist er zu seiner Erkenntnis gekommen. Hätte er die
Erleuchtung auch ohne Bemühungen erreicht? Oder schien es ihm
nur hinterher so?
K: Was meinst du, woher kam das Bemühen?
F: Aus seinem Entschluss, nicht mehr so weiterzuleben.
K: Und woher kam der Entschluss?
F: Aus dem Wunsch, das Leiden zu beenden.
K: Und woher kam der Wunsch?
F: Willst du mich jetzt immer so weiterfragen?
K: Wenn es einen freien Willen gibt, sagt Wittgenstein,
wer könnte ihn haben?
F: Na, zum Beispiel ein Buddha.
K: Welcher Buddha hat sich je bemüht, ein
Buddha zu werden?
F: Derjenige, der leidet, bemüht sich,
ein Buddha zu werden. Derjenige, der Spaß hat, hat vermutlich
nichts dagegen, noch viele Male wiedergeboren werden.
K: Du meinst: Solange das Selbst an der Relativität
Spaß hat, bleibt es gern relativ. Nur wenn es gestört
wird, geht es raus aus der Relativität. Als wenn das Selbst
jemals gestört werden könnte von sich selbst.
F: Ich rede nicht von einem abstrakten Selbst,
sondern von einem gewöhnlichen Menschen.
K: Du redest vom Bewusstsein, das sich scheinbar
in einem Zustand befindet und den als angenehm oder unangenehm empfindet.
F: Nein, ich rede von einem Menschen, der
sich bemüht. Mir leuchtet einfach nicht ein, dass jegliche
Bemühungen völlig gleichgültig sind. Die Mystiker
sind alle einen langen Weg gegangen. Selbst Ramana Maharshi, der
große Star, hat Jahre gekämpft, um herauszubekommen,
was er oder was das Ich bin ist.
K: Soweit ich weiß, hat er es an einem
einzigen Nachmittag erkannt. Auf einer Tafel im Ashram von Tiruvannamalei
ist es so dargelegt. Eine Todesahnung überkam ihn. Er legte
sich auf den Boden, er gab sich dieser Todeserfahrung hin und realisierte.
F: Mag sein. Aber das war nur der Anfang
eines langen Weges.
K: Es war der Anfang und das Ende. Seitdem,
sagte er, ist nichts mehr passiert.
F: Außer dass er sich jahrelang in
eine Höhle zurückgezogen hat, um ungestört zu meditieren.
K: Von diesem Moment an, hat er gesagt, wusste
er, dass das, was er war, das Selbst, durch nichts jemals gestört
war oder je sein könnte. Das war die grundlegende Erfahrung
von Allem.
F: Es mag die grundlegende Erfahrung gewesen
sein, trotzdem war noch eine Art Nacharbeit nötig.
K: Du meinst, wie bei einem Seminar an der Uni.
Erst bereitest du dich vor, dann erlebst du es, dann bereitest du
es nach. Damit es nachhaltig wirkt.
F: Ja, das ist gar nicht so abwegig, wie
es jetzt klingt. Ramana hatte bei diesem einen Erlebnis erfahren,
dass er nicht der Körper ist. Aber was er in Wahrheit ist,
das hat er in dem Moment noch nicht direkt erfahren.
K: Da hast Du Recht.
F: Eben. Deswegen hat er dann...
K: Er hat es nicht erfahren, weil es nicht erfahrbar
ist!
F: Wieso denn nicht?
K: Für eine Erfahrung ist mindestens zweierlei
nötig: Einer, der erfährt, und etwas, das erfahren wird.
F: Ja, und?
K: Das andere ist keine Erfahrung mehr. Das
ist einfach Sein an sich. Und das ist jetzt und hier vollkommen
da. Dafür wird nichts besonderes gebraucht, weder Vorbereitung
noch Nachbereitung. Und es ist nichts Besonderes. Es ist die einfache
Erkenntnis zu sein. Der - wie Meister Eckart sagt - Urgrund an sich.
Das reine Gewahrsein zu existieren.
F: Aber etwas Besonderes ist es schon. Denn
was bei diesen Meistern auffällt, ist doch die Intensität
ihrer Ausstrahlung. Diese unendliche Güte, die unstörbare
Stille. Wer mit Ramana meditiert hat, ist in ein Samadhi gelangt,
ins kosmisches Bewusstsein.
K: Das kosmische Bewusstsein ist nichts Besonderes.
Es ist eine Erfahrung. Worum es hier geht, ist das Selbst. Die Stille,
von der du redest, hat nichts damit zu tun, ob einer still sitzen
kann oder äußerlich still und innerlich still ist. Diese
Stille ist unantastbar. Sie kann durch nichts berührt werden.
Diese Stille kennt keine Gedanken. Diese Stille ist keine Erfahrung.
Sie ist Selbst an sich.
F: Die Leute, die zu Ramana gekommen sind
oder zu einem anderen Mystiker, haben diese Stille erfahren. Sie
haben davon geschmeckt. Und wollten diesen Geschmack immer haben.
Und haben sich hingesetzt und meditiert. Ich glaube einfach nicht,
dass es egal ist, ob man sich bemüht oder nicht. Du stellst
es so dar, dass man weder was dafür tun kann noch dagegen.
Irgendwann überfällt es einen.
K: Nein, es überfällt keinen. Diese
Stille, dieses grundlegende Gewahrsein, ist durch nichts bedingt.
Alles, was in Zeit passiert, kann es nicht beeinflussen. Und ob,
wann, und wie es geschieht, ist völlig unabhängig von
dem, was in der zeitlichen Ebene vor sich geht. Darum ist jedes
Tun, jede Handlung, jedes Verstehen oder Nicht-Verstehen zwecklos.
Es hat keine Bedeutung für dieses eine kleine "Aha":
für das Gewahrsein des Absoluten.
F: Für das persönliche Leben hat
es offenbar eine große Bedeutung.
K: Du erhoffst dir einen Vorteil. Da ist kein
Vorteil. Du hoffst, dir zu entkommen. Das ist unmöglich. Du
möchtest einen Ausweg finden. Es gibt keinen. Das, was hier
ist, braucht keinen Ausweg und wird nie einen haben. Weil das, was
hier ist, jetzt ist und ewig ist. Unendlich. Du kannst nicht darauf
zugehen und du kannst dich nicht davon entfernen.
F: Aber ein bisschen Arbeit oder Vorbereitung
macht dich doch erst bereit für diese Erfahrung oder meinetwegen
Nicht-Erfahrung. Zum Beispiel, das, was du sagst, überhaupt
annehmen zu können. Dieses Akzeptieren zu können, ist
doch nicht von vorneherein da.
K: Das Akzeptieren kommt nicht aus dem, was
du zu sein glaubst, sondern aus derselben Quelle wie die Nicht-Akzeptanz.
Ob du akzeptieren kannst oder nicht, ist nicht in deiner Hand. Du
kannst das Gefühl haben, dass du das erarbeitet hast.
F: Genau.
K: Und doch weiß ich mit absoluter Sicherheit,
dass nicht du es warst, der das erarbeitet hat. Die Akzeptanz ist
eine spontane Erscheinung.
F: Das mag sein, aber dass diese Erscheinung
sich spontan einstellt, kann man ja vielleicht fördern.
K: Kein Bemühen hilft. Es gibt keine Vorbereitung
und keine Nachbereitung.
F: Ich habe aber bei Paul Lowe das Deep Sharing
als sehr hilfreich erlebt.
K: Schön. Das klingt gut.
F: Das ist der tiefe Austauch der Gefühle.
K: Dieses Sheep sharing?
F: Nein, Deep Sharing
K: Sheep Sharing heißt doch: Schafe scheren?
F: Nein, nein, Deep Sharing. Deep Sharing
heißt: die Tiefe teilen.
K: Die Tiefe teilen? Mit einem Messer teilen?
So dass es zwei Tiefen gibt?
F: Nicht zer-teilen. Mit-teilen. Man teilt
seine Gefühle mit, teilt sie mit anderen, alle Gefühle,
auch die, die weh tun.
K: Man schert sie kurz.
F: Man ist offen und ehrlich. Und geht eben
nicht schnell darüber hinweg.
K: Statt dessen geht man langsam darüber
weg. Wie mit einem stumpfen Messer. Damit es weh tut. Die Haare
langsam rausreißen. Ist das Deep Sharing? Sehe ich das richtig?
F: Nein. Überhaupt nicht.
K: Normales Sheep Sharing macht man mit einem
scharfen Messer, damit es schnell geht.
F: Haha, dann gibt es doch eine sinnvolle
Vorbereitung! Das Messerschleifen!
K: Am Ende sind alle Haare weg. Du bist nackt.
Da ist nichts mehr.
F: Dank guter Vorbereitung.
K: Du hast mich besiegt. Gibt es noch Fragen,
die ich nicht beantworten kann?
Sehnsucht
Frage: Ich bin voller Sehnsucht. Ich weiß
nicht, nach was.
Karl: Sehnsucht taucht auf, wenn du denkst,
du hättest etwas verloren. Zum Beispiel die Lebendigkeit deiner
Kindheit. Oder wenn du woanders hin möchtest. Zum Beispiel
in eine andere Umgebung. Sehnsucht taucht auf, wenn du dir Bedingungen
vorstellst, unter denen es dir besser gehen müsste. Etwa eine
harmonische Partnerschaft oder einen guten Job, finanziellen Sicherheit,
Familie, Gesundheit. Also wenn du gerne einen Zustand hättest,
den du nicht hast - oder nicht zu haben glaubst. Dann hast du Sehnsucht.
Dann suchst du etwas, was scheinbar fehlt oder verloren ist.
F: Ja, zum Beispiel Glück. Das ist doch
die Grundsuche. Und es ist, als sei diese Suche tief in die Zellen
programmiert.
K: Alles was in der Zeit ist, hat die Sehnsucht
nach Zeitlosigkeit. Alles was getrennt ist, will zurück zur
Einheit. Zurück zur Quelle. Die Idee von Zweiheit ist immer
zugleich die Sehnsucht nach Einheit.
F: Nein, meine Sehnsucht ist keine Idee,
das ist ein tiefes Gefühl!
K: Sie entsteht aus einer Illusion. Aus der
Illusion der Unvollkommenheit. Aus der Idee des Ich. Sofort mit
der Idee des Ich entsteht das Verlangen nach Ichlosigkeit. Nach
Wunschlosigkeit. Und prompt erscheint die Sehnsucht, keine Sehnsucht
mehr zu haben. Was getrennt ist, soll zusammen kommen. Aus zwei
mach eins.
F: Natürlich! Wunschlosigkeit, Zeitlosigkeit,
also völlig zufrieden im Augenblick leben: das ist doch Glück.
Ist die Suche danach denn verkehrt? Du tust gerade so, also sei
sie ein Irrtum! Oder was ist los?
K: Ich komme vom Bauernhof. Wenn bei uns einer
fragte: Was ist los hier?, gab es immer nur eine Antwort: Alles
was nicht angebunden ist. Das ist los. Bringt keine Erklärung,
ist aber eine logische Antwort. Und die Frage ist nicht, was los
ist oder was angebunden ist, sondern: Gibt es überhaupt etwas,
das angebunden sein kann?
F: Darüber habt ihr euch auf dem Bauernhof
unterhalten?
K: Dafür haben wir die EG-Subventionen
verbraten. Wir fragten uns: Gibt es etwas, das los sein kann von
etwas anderem? Gibt es tatsächlich zwei? Etwas, das an etwas
Anderes gebunden ist? Oder das sich mit dem vereinigen kann oder
getrennt ist?
F: Klingt nach ökologischem Landbau.
Zu welchem Ergebnis seid ihr gekommen?
K: Beides ist Illusion. Das Verbundensein und
das Losgelöstsein. Weil es nichts gibt, was sich lösen
könnte von etwas Anderem. Weil es nie etwas gegeben hat, das
verbunden war mit etwas Anderem.
F: Das nennt man also Agrarwirtschaft.
K: Das nennt man Selbsterkenntnis.
F: Ich würde sagen, man nennt es Sehnsuchtsverdrängung.
K: Solange es die Idee von Verbundensein und
Getrenntsein gibt, gibt es die Sehnsucht, das zu ändern. Die
Sehnsucht, zur Einheit zu finden. Zurück zur Quelle, zum Selbst.
Mit dieser Sehnsucht bist du ein sogenannter Suchender. Ein Süchtiger.
Ein Süchtiger nach sich Selbst. Ein Selbstsüchtiger. Jeder
Suchende ist ein Süchtiger nach sich Selbst.
F: Gut, und ich frage ja nichts anderes als:
Wie kann diese Sucht erfüllt werden oder verschwinden?
K: Die Sehnsucht muss weder erfüllt werden
noch verschwinden.
F: Doch, damit ich in Frieden leben kann.
K: Du bist das, was vor jeder Art von Frieden
oder Unfrieden ist. Was vor jeder Empfindung, Wahrnehmung oder Vorstellung
ist. Du bist das, in dem all das auftaucht und wieder verschwindet.
Auch Sehnsucht und Suche sind Teil dieser Erscheinungen. Du brauchst
nicht die Erfüllung irgendeiner Suche, um das zu sein, was
du bist. Du bist selbst die Erfüllung.
F: Den Eindruck habe ich nicht.
K: Du bist vollkommen, mit Sehnsucht und ohne
Sehnsucht. Mit Suche und ohne Suche bist du absolut das, was ewig
vollkommen in sich selbst ist. Dafür muss nichts geändert
werden. Nichts muss geschehen oder vermieden werden, um das zu sein,
was du bist. Nichts muss kommen, nichts muss gehen dafür.
F: Ja, aber diese Erkenntnis möchte
ich ganz gern selbst haben. Oder meinetwegen wiederfinden.
K: Der Wunsch, sie wiederzufinden, entsteht
aus der Wahnidee, dass du sie verloren hast. Dass es jemals einen
Moment gegeben hat, wo Das nicht da war. Aus diesem Irrtum entsteht
die ganze Falschheit der Suche. Es gibt nichts zu erlangen oder
wiederzufinden. Es ist hier. Dieses vollkommene Dasein ist der Urgrund
für jede Erscheinung. Für jede Frage und jede Antwort.
Man muss nichts dafür tun.
F: Nur noch da sein.
K: Nur noch da sein. Die absolute Stille sein.
Erkennen, dass es da nie etwas gab, was irgendein Bedürfnis
hatte. Dass das, was du bist, nie gestört war von etwas, das
kommt und geht. Von keiner Frage, keiner Antwort. Es gibt nichts,
was es berühren kann. Nichts, was es verdecken oder aufdecken
könnte. Es ist immer in sich absolut rein und klar.
F: Wow.
K: Nichts ist angebunden, nichts ist los.
F: Wie bei euch auf dem Land.
K: Wie auf einem Bauernhof mit Agrarsubventionen.
Ich möchte erleuchtet werden
Frage: Auch wenn es altmodisch klingt, ich
möchte erleuchtet werden.
Karl: Da kann ich dir nur viel Glück wünschen.
F: Ja, was heißt? Ist das denn Quatsch,
dieser Wunsch?
K: Nein, kein Quatsch, nur ein bisschen Gedankenzauber.
F: Oh, ich glaube, es ist doch ein bisschen
mehr.
K: Erleuchtung und Nicht-Erleuchtung sind Ideen.
Die Erleuchtung ist lediglich ein Konzept in der unendlichen Reihe
von Konzepten zur persönlichen Optimierung oder Selbstfindung
oder Glücksbeschaffung.
F: Und ist daran etwas falsch?
K: Es ist unnötig. Denn nie hat es für
irgendjemanden einen Bedarf an Erleuchtung gegeben.
F: Das bezweifele ich.
K: Wer will denn erleuchtet werden?
F: Wie gesagt: Ich.
K: Also, das Ich will leuchten.
F: Natürlich. Ist das verboten?
K: Vom Standpunkt der elektrischen Sicherheit
auf jeden Fall.
F: Wie bitte?
K: Es ist äußerst zweifelhaft, ob
ein Ich diese Energie aushalten kann. Diese Energie, die dann zum
Leuchten führt. In dieser absoluten Energie von Sein verglüht
das Ich. Es platzt. Und die Reste verdampfen. Wenn man 10.000 Volt
durch eine Glühbirne jagt, wie geht es der Glühbirne dann?
F: Sie hat einen Orgasmus.
K: Von dem sie allerdings nichts mehr merkt.
F. Hmm. Was soll das heißen - dass
ich eine schwache Glühbirne bin?
K: Was meinst du mit Ich?
F: Na, meine Persönlichkeit. Hier. Mich.
Das, was vor dir sitzt. Das, was ich bin.
K: Das, was du bist, braucht keine Erleuchtung.
Es ist nie verdunkelt gewesen.
F: Na, dann lassen wir den Begriff Erleuchtung.
Nennen wir es meinetwegen Erwachen.
K: Es braucht auch kein Erwachen. Weil es nie
geschlafen hat. Es kennt kein Schlafen und kein Wachsein. Wachsein
und Schlafen tauchen in ihm auf. Es gibt keinen Erwachten oder Schlafenden.
Keinen Erleuchteten oder einen, der Erleuchtung braucht. Das sind
alles nur Ideen. Sie sind bedeutungslos. Sie tauchen auf und verschwinden
in dem, was du bist.
F: Aber um genau das zu sehen oder zu kapieren,
müsste ich doch eine Art Erwachen erfahren!
K: Nicht du. Nicht das Ich. In dem Moment, wo
du das bist, was du bist, hat die Glühbirne keinen Platz mehr.
Sie ist verglüht, verdampft, verschwunden. Als hätte es
sie nie gegeben. Und, das ist der Witz, es hat sie tatsächlich
nie gegeben. Denn wo das ist, was ist, gibt es nichts anderes als
das, was ist.
F: Das wo... das das... das was... also,
wo bleibe ich?
K: Du bist verglüht, verdampft, verschwunden.
Scheinbar. In Wahrheit hat es dich vorher nicht gegeben. Und es
wird dich hinterher nicht geben.
F: Okay, das Ich muss verschwinden?
K: Nein! Wie soll etwas verschwinden, was nie
da war?
F: Aber, mein Gott, es gibt mich doch. Hier
sitze ich. Die Frage ist höchstens: wie lange noch?!
(Ein Handy klingelt)
F: Entschuldigung.
K: Nein, nimm ruhig ab. Es könnte dein
Elektriker sein.
Wie stirbt man richtig?
Frage: Hat es eine Bedeutung, wie man stirbt?
In Verblendung oder bewusst?
Karl: Nein.
F: Das lehren aber fast alle Religionen,
dass es wichtig ist, wie man stirbt.
K: Ah, du weißt schon Bescheid?
F: Nicht ich. Viele Erleuchtete sagen, der
Zeitpunkt des Todes sei relevant.
K: Dazu muss es erst mal jemanden Relevantes
geben, jemanden, der einen sieht, der lebt und stirbt.
F: Der Zeitpunkt sei wichtig und der Zustand
des Geistes auch.
K: Willst du Gott oder das Sein in Frage stellen?
F: Wie bitte?
K: Willst du sagen, dass Bewusstsein dumm ist
und nicht weiß, was es tut?
F: Ich glaube nicht gerade an die Dummheit
Gottes...
K: Weiß Gott, was er tut?
F: Das nehme ich doch an.
K: Und dann, meinst du, müssen wir uns
darum kümmern, ob ein Wesen so oder so stirbt? Oder weiß
Gott es vielleicht besser?
F: Gott mag es wissen; trotzdem ist es wichtig,
dass wir etwas tun.
K: Dass wir die Welt verbessern?
F: Naja, Gleichgültigkeit kann jedenfalls
nicht die Antwort sein.
K: Einer, der die Welt verbessert - stellt der
sich nicht außerhalb des Ganzen? Als separater Gott?
F: Zwischen Weltverbesserer und einem Menschen,
der helfen will, ist ja wohl ein Unterschied.
K: Vielleicht kein großer. Wenn du einem
anderen helfen willst, willst du etwas verändern an dem, was
ist. Ich sage nicht, dass es falsch ist. Aber solange es einen gibt,
der eine Verbesserung für nötig hält, und solange
das für ihn Realität hat, ist er im Leiden. Mitleid mit
einem anderen kommt aus Selbstmitleid.
F: Ich rede von Mitgefühl.
K: Mitgefühl kann keiner haben. Im Mitgefühl
gibt es dich nicht mehr.
F: Aber noch die anderen.
K: Im Mitgefühl gibt es auch die anderen
nicht mehr.
F: Herrje, das Mitgefühl manifestiert
sich in diesem Körper! Und der will vielleicht etwas tun!
K: Mitgefühl ist dein Wesen. Mitgefühl
unterscheidet nicht zwischen guten und schlechten Erfahrungen. Es
fühlt nicht mit leidfreien oder leidvollen Erlebnissen. Auch
Leid ist im Mitgefühl eine Erfahrung und Selbsterkenntnis.
Die einzige Qualität ist die Wahrnehmung - damit das Selbst
sich selbst erkennt. Und das ist immer hier in allem. Es gibt nur
Mitgefühl. Mitgefühl des Selbst zum Phänomenalen.
F: Hör auf! Hör auf mit diesem
Geballer von logischen Zusammenhängen. Ich kann dir nur sagen:
So, wie du das rüberbringst, wird es mir zuviel.
K: Ich will nichts rüberbringen. Es soll
einfach nur zuviel werden.
F: Na, das hast du erreicht. Mit einem Donnerwetter
von intellektuellen Konzepten.
K: Du hast ein Konzept vom Mitgefühl. Das
Konzept des persönlichen Mitleids. Ich halte etwas anderes
dagegen. Das Prinzip des Selbst.
F: Ja, ja, aber es kommt nicht darauf an,
dass wir uns intellektuell kloppen! Es geht doch darum, dass wir
berührt werden. Willst du uns denn nicht berühren?
K: Nein, ich will niemanden berühren.
F: Wenn ich nicht berührt werde, rauscht
es an mir vorbei.
K: Es soll auch an dir vorbeirauschen. Denn
dann hört etwas anderes zu. Hier spricht Bewusstsein, und da
hört Bewusstsein. Und das, was denkt, die Ich-Idee, die nicht
mitkommt, interessiert mich nicht. Die sehe ich gar nicht. Ich spreche
mit keiner Person hier.
F: Na, dann viel Spaß.
K: Das einzige, was passieren kann, ist die
Akzeptanz, dass du ein Konzept hast und ich ein Konzept habe. Akzeptanz
bringt alles hervor. Das Mitgefühl, die Akzeptanz des ganzen
kosmischen Seins, kreiert die Diskussionen und die Worte, in denen
das Bewusstsein von hier spricht und die es da hört. Es ist
ein Energiefluss. Es kommt nicht darauf an, über was wir sprechen.
Es kommt auch nicht darauf an, ob wir zu einem Ergebnis kommen oder
eine Erkenntnis haben.
F: Für mich kommt es darauf an, was
ohne Worte im Raum passiert. Und alles, was ich merke, ist dass
du den ganzen Raum mit Wörtern füllst.
K: Klingt gut.
F: Du redest schnell und verwendest bestimmte
Begriffe und verbindest Vorstellungen damit. Ich muss erst mal ein
Gefühl dafür bekommen, was du damit meinen könntest.
Mein Geist muss erstmal mitkommen. Aber wichtig ist doch, was hier
passiert. Das ist das einzig Wichtige.
K: Wer sagt jetzt, was wichtig ist?
F: Ich!
K: Wer Ich?
F: Himmel, ich wollte einfach nur wissen,
wie man stirbt. Und ob man etwas tun kann.
K: Merkst du nicht, wie man stirbt?
F: Ich merke nur Kahlschlag.
K: Und kannst du etwas tun?
F: Ich weiß es nicht mehr.
K: Gut.
F: Ja, sehr gut.
K: Deshalb nennt man mich Karl-Schlag.
Niemand
kann erleuchtet sein
Frage: Wer einmal erleuchtet ist, kann der
jemals wieder diesen Zustand verlieren?
Karl: Immer wieder.
F: Ist er nicht ein für allemal drin?
K: Nein. Solange es einen Erleuchteten gibt,
fällt er wieder raus. Es muss das Aha sein, dass das, was Selbst
ist, was Sein ist - dass das ewig realisiert ist. Und es bedarf
nicht irgendeiner Person, die das erkennt. Das Sein braucht nicht
irgendein Phänomen, das realisiert, was Sein ist.
F: Nein, das Sein braucht es nicht. Aber
ich brauche die Realisation. Oder das Erwachen.
K: Du brauchst es nicht. Es kann dich nie als
Erleuchteten geben. Und es hat dich auch nie als Unerleuchteten
geben. Lass das ganze gewichtige Prinzip Erleuchtung oder Erwachen
wegfallen.
F: Geht es nicht darum, einmal davon berührt
zu werden?
K: Wer oder was sollte berührt werden?
Was müsste sich dafür ändern? Alles, was berührt
wird, fällt auch wieder weg. Jede Erfahrung von Berührung
ist flüchtig.
F: Aber als Lehrer kannst du doch
K: Ich bin total hilflos. Ich bin Hilflosigkeit.
Keinen kann ich zu irgendetwas machen, was er nicht schon längst
ist.
F: Dann hilf mir zu sein, was ich bin.
K: Alles, was ich versuchen würde, würde
die Idee verfestigen, dass du das noch nicht bist.
F: Kannst du es trotzdem versuchen?
K: Es ist ja niemand da, der verbessert werden
könnte.
F: Ich glaube gern, dass man dich nicht verbessern
könnte. Aber ich -
K: Auch du bist unverbesserlich.
Entwickele ich mich?
Frage: Ich habe im Fernsehen gesehen, wie
Kinder durch Napalm umkamen. Früher hätte ich mir das
nicht ansehen können. Ich hätte abgeschaltet. Diesmal
blieb ich ruhig, und darüber war ich überrascht.
K: Du meinst, du hast Fortschritte gemacht?
F: Naja
K: Du hast einen Vorteil errungen gegenüber
früher?
F: Ich bin jetzt einfach nicht so verwickelt
gewesen.
K: Ein Zeugenbewusstsein mag entstanden sein,
das nicht mehr involviert war in eine Folge von Ereignissen.
F: Ja, eben. Und ich stelle mir vor, wenn
mir selbst etwas Schlimmes passiert, und ich bleibe trotzdem ganz
ruhig...
K: Dann bist du gerettet?
F: Naja, ich leide nicht, wenn ich sozusagen
draußen bleibe.
K: Wer bleibt wo? Was ist der Unterschied, ob
du hier oder da bleibst? Ob du verwickelt oder draußen bist?
Wer hat den Vorteil, wenn er nicht involviert ist? Was bist du?
F: Ich bin die, die hier sitzt.
K: Und was ist der Vorteil, solange es dich
gibt? Das ist ein absoluter Nachteil. Solange es dich gibt, als
Person, die aus irgendetwas einen Vorteil basteln möchte, ist
der persönliche Vorteil ein absoluter Nachteil.
F: Es geht mir um die Freiheit von Leiden.
K: Das, was Freiheit ist, braucht keine Freiheit.
Aber die Idee, dass es dich gibt und dass es einen Vorteil hätte,
wenn diese oder andere Umstände sich ereignen, in denen du
dich so oder anders verhalten könntest, um Leid zu vermeiden
- das allein schafft einen Leidenden.
F: Ist es Leiden, wenn man glücklich
sein will?
K: Natürlich. Auch der Glückliche
muss um sein Glück kämpfen. Es ist ja immer die Möglichkeit
des Unglücks da. Damit schon ist das Glück wieder unglücklich.
Solange es einen Glücklichen gibt, ist auch ein Unglücklicher
da. In derselben Person. Solange es einen Leidfreien gibt, gibt
es ihn auch als Leidenden. Aus diesem Kreis entkommt keiner. Das
einzig mögliche ist der sogenannte göttliche Unfall: Das
Aha, dass es nie einen gegeben hat, der in Zeit war. Dass es keine
Zeit gibt. Und dass das, was du bist, vor jeder Idee von Zeit und
Raum ist. Vor jeder Idee von was auch immer.
F: Und dafür kann ich nichts tun?
K: Dafür musst du nichts tun! Alles, was
in Zeit und Raum dafür getan wird, kann es nicht berühren.
Alles, was in Zeit und Raum getan wird, kann dich nicht zu dem machen,
was du bist. Es ist viel einfacher. Das, was du bist, erkennt einfach,
dass alles was es erkennen kann, nicht sein kann. In dir, in der
Wahrnehmung, erscheinen Raum, Zeit und Welt. Doch du selbst bist
nie Teil davon.
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